Ich wurde gebeten in diesem Artikel Bezug zu nehmen auf einen Artikel, erschienen im Portal www.designobserver.com. Ähnlich einem empörten, fassungslosen Aufschrei, setzt sich dieser mit dem Wertverlust des Designs in unserer Gesellschaft im Angesicht der aktuellen Ereignisse in Griechenland, Spanien sowie der Bankenkrise in den USA auseinander. Doch dieses Thema ist alles andere als neu. Seit Jahrhunderten ist die Frage der Wertigkeit von Leistungen immer ein Spiegel der Gesellschaft, die diese Werte festlegt und in Wirtschaftsphasen schwanken lässt.
Bereits im Mittelalter entstanden die Zünfte zur Wahrung gemeinsamer Interessen, basierend auf der Idee des collegiums aus römischer Kaiserzeit, dies setzte sich fort über die Arts & Crafts Bewegung ab 1850 hin zum Ring neuer Werbegestalter 1929. Sie alle hatten zum Ziel die volle Wertigkeit dessen, was sie tun zu kommunizieren, zu demonstrieren, wiederherzustellen. Doch welche Inhalte ergeben sich im Rahmen dieses Diskurses im eigenen De- signschaffen im Hier und Heute? Zunächst einmal geht es um die grundsätzliche Fähigkeit, das eigene Handeln – und dessen Folgen – in seine vielschichtigen Kontexte einordnen zu können. In Zeiten wo Naildesign und Hairdesign in einem Atemzug mit Grafikdesign genannt werden, muss das »Design« der Gesellschaft, in welcher wir leben und arbeiten werden, bereits in der Ausbildung beschrieben werden um überhaupt die Frage der Möglichkeiten bzw. Auswirkungen von Design auf ebendiese untersuchen zu können. »Bedroht ist nicht mehr das Leben, sondern sein Sinn.« Diese Aussage von Gerhard Schulze können nahezu 90 % aller Gestalter ab dem 30. Lebensjahr und einigen Jahren Berufserfahrung unterschreiben. Die Welt dreht sich immer schneller, die Anforderungen werden immer größer und Flexibilität ist das Maß aller Dinge. Doch da taucht Niklas Luhmann auf. Nicht nur, dass seine Bücher über Jahrzehnte nichts an Faszination und Allgemeingültigkeit verloren haben, er macht Hoffnung: »Die Zukunft liegt nicht mehr im Zweck, nicht im Plan. Sie wird, wie einst das jüngste Gericht, als Überraschung kommen.« Eine Haltung zum Design zu haben, eine ei- gene Meinung zu artikulieren, einen Stil zu entwickeln und zu verteidigen und dem Kunden vielleicht gar den Unterschied zwischen CI und CD zu erklären, das sind Fähigkeiten/Eigenschaften, die gemeinhin von Gestaltern erwartet werden. Doch im alltäglichen Arbeitsprozess sollen diese fruchtbaren Diskurse mit den Komplexitäts- und Wissensproblemen in unserer Zeit möglichst vermie- den werden – weil anstrengend und unangepasst. Es gibt ja auch immer jemanden, der »scheinbar« objektiv und stilsicher weiß, was der richtige Ansatz ist …make my logo bigger – ein running gag unter Gestaltern, jedoch die nackte, bittere Wahrheit. Sicherer ist die Flucht in die Anonymität der Menge und Klischees, und weil das so ist, wird die Zukunft als Überraschung kommen, so Luhmann. Wer auf Gurus hört, wird immer Follower sein, nie gestaltend seine Zukunft mitbestimmen. Die Arbeit des Gestalters ist extrem geworden, vor allem dort wo Verantwortung gebündelt wird und Know-how Bedin- gung ist. Dabei geht es nicht mehr nur um das Gestalten, Entwerfen und Produzieren, technisches Know-how ist – neben der Fähigkeit des Präsentierens und Verkaufens einer Idee/eines Konzeptes – Selbstverständnis geworden.
Wenn es heute in der Werbung um das »people processing« geht, also nicht mehr um das »Befriedige mich« oder »Verführe mich!«, sondern um das »Verändere mich!«, mittels einer Marke als Medium der Transformation des Kunden, dann ist der Gestalter mehr denn je in der Verantwortung. Märkte zu verändern und damit »Haltung« einzunehmen ist harte Arbeit und nur mit kleinen Schritten zu bewerk- stelligen. Dass dies funktioniert zeigen Beispiele wie brand eins, le Monde diplomaticque oder die Zeitschrift der Stif- tung Bauhaus Dessau. Gut gestaltete Informationsmedien mit Inhalt, gebunden an einen entsprechenden Preis. Der Weg auf diesen Markt war sicher beschwerlich, aber ohne Haltung zum Design wird man als Gestalter seine eigene Wertigkeit nicht kommunizieren können. Meine goldene Regel: Was nichts kostet ist nichts wert. Das heißt nicht, dass ich nicht immer wieder persönliche Entscheidungen treffe, gewisse Aufträge zu anderen Bedingungen zu leis- ten, im Bereich Kultur und Bildung etwa, ich unterstütze Sportvereine, Wohlfahrtsverbände, Vereine die sich für die Interessen behinderter Menschen einsetzen. Doch genau das sind doch die wirklich relevanten Fragen, die wir uns im Leben stellen. Was hat eigentlich wirklich einen Wert, wo ist Geben wichtiger denn Nehmen und was würde ich für mich als Glück definieren, das Glück, welches mir die Kraft gibt, kreativ zu sein und meinen Weg zu finden. Den Weg zwischen dem Diktat einer Konsumgesellschaft und dem Anspruch als Gestalter an Inhalte und Werte und nicht nur an Marketingstrategien und schnellen Profit. Es geht letztendlich darum, dass die Dinge um der Menschen Willen existieren und nicht die Menschen um der Dinge willen, das sei ein geringer Trost. (Theodor W. Adorno)
Im Auftrag für D.G., veröffentlicht WHO Magazin der Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg, 2012
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